Recoupling durch kontrollierte Lokalisierung

Der Ukraine-Konflikt wirkt sich zunehmend auf das Geschäft ausländischer Unternehmen in China aus. China reagiert auf die massiven westlichen Russland-Sanktionen mit einem beschleunigten Decoupling, um schneller autark zu werden. Westliche Unternehmen antworten mit der Rückanbindung (Recoupling) ihrer chinesischen Niederlassung oder Tochter durch eine kontrollierte Lokalisierung. Die Zentralen nehmen ihre chinesischen Dependancen wieder an die kürzere Leine, weil die neue geopolitische Lage und ihre ökonomischen Konsequenzen jetzt eine zentrale Führung erfordert, die das gesamte Unternehmensumfeld im Blick hat. Das Management von Niederlassungen und Töchtern ist mit gestörten weltweiten Lieferketten, grenzüberschreitenden Finanzrisiken und strategischen Umbrüchen dieser Größenordnung meist überfordert.

Wir beobachten diese Rückanbindung chinesischer Niederlassungen und Töchter an die Unternehmenszentralen schon länger. Man hat erkannt, dass die fehlende Abstimmung mit den funktionalen Führungskräften in der Zentrale bei wichtigen Fragen der Wertschöpfung, Ressourcen und Entscheidungsbefugnis oft zu nachhaltigen Problemen führt. Drei Beispiele aus unserer Beratungspraxis:

IT-Compliance: Die chinesische Niederlassung wusste nicht, dass sie ihre IT-Systeme einer gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitszertifizierung unterziehen muss. Interne IT-Prozesse wurden weder erhoben noch dokumentiert. Der Hinweis kam aus der Zentrale, wo das spezifische Wissen vorhanden ist. Schutz des geistigen Eigentums: Die Tochtergesellschaft und ihre chinesischen Anwälte gingen davon aus, dass die illegale Kopie eines industriellen Designs rechtlich nicht verfolgt werden kann, weil das Design funktional zwingend erforderlich ist. Sie übersahen, dass in China einzelne Designkomponenten geschützt sind, wenn sie eine ausreichende Gestaltungshöhe besitzen. Know-how: In der Niederlassung ging technisches Wissen verloren, weil die in China zulässigen Möglichkeiten der Datenverschlüsselung nicht bekannt waren. Die Folgen dieser Kompetenzmängel sind Governance-Risiken und Verlust von Wettbewerbsvorteil.  

Zurzeit ist das Risiko, beim Neugeschäft und Bestandsgeschäft in einen Wirtschaftskrieg hineingezogen zu werden, für ausländische Dependancen in China relativ hoch. Sie können durch Sanktionen und Gegensanktionen in eine Zwickmühle geraten. Besondere Vorsicht ist bei Dual-Use-Gütern und bei auffälligen Anfragen geboten, hinter denen Umgehungsgeschäfte stecken können. Chinesische Geschäftspartner können von Sanktionen betroffen sein, und durch die aus Russland importierte Patentpiraterie können IP-verletzende Produkte über China in die Exportmärkte des Unternehmens gelangen. All das sind Fälle für die Spezialisten der Zentrale.

Bild: Shutterstock

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