Im Januar haben wir über die Pläne der chinesischen Regierung berichtet, eigene Internationale Handelsgerichte zur Beilegung von Streitigkeiten im Zuge der Seidenstraße-Initiative einzurichten:
Kein halbes Jahr später wurden die ersten Internationalen Handelsgerichtshöfe in Shenzhen und Xi’an eröffnet. Dies ist ein weiteres Beispiel für die atemberaubende Geschwindigkeit, mit der China das Mammut-Projekt „Neue Seidenstraße“ vorantreibt. Es zeigt auch, dass dieses Projekt nicht nur die Infrastrukturlandschaft, sondern auch die sozialen und rechtlichen Rahmenbedingungen entlang der Seidenstraße weitgehend verändern wird.
Der Chinesische Oberste Volksgerichtshof hat bereits Richtlinien veröffentlicht, die den Aufgabenumfang der neuen Gerichte festlegen. Die Handelsgerichte sind im chinesischen Justizsystem auf derselben Ebene wie der Oberste Volksgerichtshof angesiedelt, ihre Entscheidungen in erster Instanz sind bindend und nicht anfechtbar. Angehört werden Fälle mit Ansprüchen über 300 Mio. RMB sowie Fälle von „besonderer nationaler Bedeutung“. Nicht verhandelt werden Fälle, die keinen konkreten Bezug zu China haben.
Inzwischen wurden acht Richter des Obersten Gerichtshofes für die neuen Handelsgerichte ausgewählt. Ein Ausschuss von internationalen Wirtschaftsexperten wird sie in Fragen zu ausländischem Recht beraten. Die Anhörungen werden in chinesischer oder englischer Sprache gehalten.
Die neuen Gerichte werden außerdem durch ein umfassendes elektronisches System unterstützt, beispielsweise für die Einreichung von Beweismitteln, die Bezahlung von Gerichtsgebühren oder die Durchführung von Online-Anhörungen. Wichtig ist, dass die im Ausland gesammelten Beweise nicht mehr notarisiert und übersetzt werden müssen. Sie werden nun direkt während der Anhörung gesichtet.
Die Handelsgerichte werden sowohl für die Prozessführung als auch für Mediation und Schiedsgerichtsverfahren zuständig sein. Bis jetzt ist noch unklar, ob internationale Schiedsgerichtsinstitutionen zugelassen werden, was in der chinesischen Rechtspraxis neu wäre.
Zu den konkreten praktischen Auswirkungen des neuen Systems gibt es noch viele offene Fragen. Klar ist, dass China bei der Gestaltung internationaler Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme in großen Schritten vorangeht. Westliche Unternehmen, die von den gigantischen Projekten der Neuen Seidenstraße profitieren wollen, sollten genügend Zeit investieren, um die neuen Entwicklungen und ihre Auswirkungen zu verstehen.
Bild: Ambassador Zhangqian’s Visit to the Western Regions, year 138 BC; Quelle: Chinadiscovery