Fälscherdrehkreuz Hainan

Zum Jahresende 2025 öffnet China Hainan vollständig für den Freihandel – ein radikal liberalisierter Wirtschaftsraum ohne klassische Zollkontrollen, mit vereinfachter Compliance, offenen Datenflüssen und Steuererleichterungen. Was auf den ersten Blick wie eine strategische Modernisierung erscheint, wirft aus europäischer Perspektive jedoch ernste Fragen auf – insbesondere im Hinblick auf den Schutz geistigen Eigentums und die Bekämpfung von Marken- und Produktpiraterie. Wenn klassische Exportkontrollen entfallen oder stark reduziert werden, können Waren unkontrollierter aus dem Land gelangen. Dadurch sinkt für Fälscher die Hemmschwelle, Produkte aus Hainan in den internationalen Markt einzuschleusen.

Hainan soll künftig als zentrales Drehkreuz des Handels zwischen China und den ASEAN-Staaten, den RCEP-Partnern sowie den Ländern der Belt-and-Road-Initiative fungieren. Dies schafft neue, dynamische Lieferketten – aber auch Verschleierungsmöglichkeiten über Drittstaaten wie Vietnam, Malaysia oder die Vereinigten Arabischen Emirate. Gleichzeitig wird die direkte Lieferung gefälschter Waren an Endkunden in Europa, insbesondere durch Dropshipping, erleichtert. Die Verlagerung des Schwerpunkts vom Container- auf den Paketversand belastet zusätzlich die deutsche Zollüberwachung. Je mehr Handelskanäle entstehen, desto schwieriger wird es, gefälschte Produkte aufzuspüren – insbesondere, wenn sie in legalen Lieferungen verborgen sind.

Die neue Offenheit kann sich für deutsche Unternehmen als Brandbeschleuniger für Produktpiraterie erweisen. Die vereinfachte Compliance erschwert es, IP-Verstöße im grenzüberschreitenden Verkehr zu identifizieren und wirksam zu bekämpfen. Der freie Datenfluss behindert die Rückverfolgbarkeit von Produktionsstandorten, Lieferketten oder Plattformanbietern. Durch vereinfachte Genehmigungsprozesse und Technologietransfers kann Know-how unkontrolliert abfließen, lokale Imitationen deutscher Produkte werden technisch raffinierter und marktnäher, und die rechtliche Kontrolle über geistige Eigentumsrechte bleibt fragil – insbesondere außerhalb der Sonderzone. Der Fokus auf Geschwindigkeit und Effizienz im Handel verdrängt Schutzmechanismen zugunsten wirtschaftlicher Optimierung – wovon vor allem die Fälscher profitieren, nicht aber die Rechteinhaber.

Für deutsche Markeninhaber bedeutet die Öffnung Hainans ein erhöhtes Risiko für die Einfuhr gefälschter Produkte, eine erschwerte Strafverfolgung durch neue Handelsrouten und eine stärkere internationale Vernetzung von Fälschern. Es empfiehlt sich daher, frühzeitig Marken und Patente in Hainan zu registrieren, chinesische B2B- und E-Commerce-Portale systematisch aus Hainan-Perspektive zu beobachten, die internationale Fälschungsbekämpfung auch in den ASEAN-Staaten zu intensivieren, moderne Tracking-Technologien zur Fälschungserkennung einzusetzen und die rechtlichen Rahmenbedingungen bei Joint Ventures oder Produktionsverlagerungen nach Hainan sorgfältig zu prüfen.

Hainan ist ein Testfeld für den globalen Wettbewerb, in dem Regeln neu verhandelt werden. Wer diesen Wandel nicht aufmerksam verfolgt, läuft Gefahr, zum Spielball des Prozesses zu werden – statt ihn aktiv mitzugestalten.

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