Das Pekinger Gericht für geistiges Eigentum hat kürzlich ein wegweisendes Urteil gefällt, das dem Schutz von KI-Modellen unter dem chinesischen Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb neue Bedeutung verleiht. In dem Verfahren stritt die Beijing Douyin Technology Co., Ltd., Betreiberin der populären App Douyin (TikTok in China), mit Yirui Ke Information Technology (Beijing) Co., Ltd., Betreiberin der App B612 KakaoTalk. Gegenstand des Rechtsstreits war die Nachahmung einer von Douyin entwickelten Funktion zur Umwandlung von Fotos und Videos realer Personen in einen stilisierten Comic-Look – ein Feature, das sich großer Beliebtheit erfreut und Douyin einen spürbaren Wettbewerbsvorsprung verschafft hat.
Zwar verneinte das Gericht eine Verletzung von Urheberrechten, da die Comic-Transformationen nicht als schöpferische Werke im Sinne des Urheberrechtsgesetzes eingestuft wurden, doch stellte es unmissverständlich klar, dass die unautorisierte Übernahme der Modellstruktur und der Trainingsparameter einen unlauteren Wettbewerb darstellt. Maßgeblich war dabei, dass Douyin erhebliche Investitionen und Entwicklungsarbeit in die Erstellung des Modells gesteckt hatte und dieses eine zentrale Grundlage für den Markterfolg der App bildet. Die Nutzung der spezifischen Modellarchitektur durch den Beklagten wurde als klarer Verstoß gegen die anerkannte Geschäftsmoral im Bereich der künstlichen Intelligenz gewertet, insbesondere weil diese Strukturen durch umfangreiches Training und Know-how optimiert wurden und nicht frei verfügbar sein dürfen. Das Gericht hob hervor, dass die starke Ähnlichkeit der Effekte auf beiden Plattformen die Substituierbarkeit der Produkte unterstreiche und dem Kläger wirtschaftlichen Schaden zugefügt habe.
Damit wurde nicht nur der Schutz einer innovativen technischen Leistung bestätigt, sondern auch der Grundstein für eine neue Rechtsprechung gelegt: Zum ersten Mal wurden in China die Struktur und Parametrierung eines KI-Modells als schützenswertes Geschäftsinteresse anerkannt, der Schutz von Wettbewerbsvorteilen ist nun auch unabhängig vom klassischen Urheberrecht möglich. Für Entwickler von KI-Anwendungen bedeutet das Urteil, dass sie künftig in die Dokumentation des Entwicklungsprozesses investieren müssen.
Zugleich machte das Gericht deutlich, dass bloßes technisches Knacken oder Reverse Engineering nicht genügt, um den Schutz des Modells zu entkräften. Vielmehr liegt es am Beklagten, nachzuweisen, dass die Modellstruktur oder Parameter rechtmäßig erlangt wurden. Dieses Urteil ist damit nicht nur ein Meilenstein für den Schutz von KI-basierten Innovationen, sondern setzt auch ein klares Zeichen zugunsten fairen Wettbewerbs und nachhaltiger Innovationsförderung in einem zunehmend technologiegetriebenen Marktumfeld. Es unterstreicht die wachsende Bedeutung präziser rechtlicher Rahmenbedingungen und gibt Unternehmen wertvolle Hinweise darauf, wie sie ihre technologischen Entwicklungen und Investitionen wirksam absichern können.
