Chinesisches KI-Überangebot

Chinas Technologiebranche erlebt im Bereich künstlicher Intelligenz derzeit einen beispiellosen Investitionsboom, ausgelöst durch den Einsatz des fortschrittlichen Modells DeepSeek. Xiaomi plant, über 7 Milliarden RMB in KI-Innovationen zu investieren, und China Unicom kündigte Investitionen in Höhe von 55 Milliarden RMB an, wobei ein erheblicher Anteil auf KI-gestützte Modernisierungen der Telekommunikationsinfrastruktur entfällt. Das KI-unterstützte internationale Geschäft des Finanzdienstleisters FinVolution trägt inzwischen mehr als ein Fünftel zum Umsatz bei, wobei allein im letzten Quartal über 2,2 Millionen neue Kreditnehmer außerhalb Chinas gewonnen wurden.

Dass das rasante Wachstum und die zunehmende Homogenität der KI-Strategien zu einem Überangebot mit sinkenden Margen führen, ist naheliegend. China wird seine KI weltweit exportieren – ähnlich wie bei E-Autos, Windrädern und Solarpanels. Die kommende KI-Flut hat Konsequenzen für europäische Unternehmen, die in China tätig sind oder mit chinesischen Unternehmen im internationalen Wettbewerb stehen. So können chinesische Unternehmen KI-Anwendungen zu einem Bruchteil der bisherigen Kosten entwickeln und skalieren, was ihnen massive Effizienz- und Innovationsvorteile verschafft. Europäische Unternehmen müssen daher mit deutlich verkürzten Innovationszyklen und aggressiveren Wettbewerbern rechnen, die schneller auf Kundenbedürfnisse reagieren und günstiger skalieren können.

Sowohl in China als auch global werden sich die Erwartungen von Kunden und Partnern an die Leistungsfähigkeit, Anpassungsgeschwindigkeit und Preisstruktur von KI-Lösungen stark verändern. Wenn chinesische Anbieter etwa 20 bis 40-mal günstigere KI-Dienste mit vergleichbarer Qualität anbieten, geraten europäische Anbieter unter Druck, ihre eigenen Leistungen zu überdenken, neue Allianzen zu bilden oder preislich deutlich entgegenzukommen.

Für europäische Firmen, die in China aktiv sind oder dort Daten verarbeiten, stellt sich die Frage, ob sie auf chinesische KI-Dienstleister wie DeepSeek setzen sollen, was kurzfristige Kostenvorteile brächte, langfristig aber Abhängigkeiten in Bezug auf Technologie, Datenkontrolle und Compliance schaffen könnte. Europäische Unternehmen könnten gezwungen sein, sich auf Nischen- oder B2B-Speziallösungen zu konzentrieren – etwa in der Industrieautomatisierung, Medizintechnik oder beim Einsatz von KI in hochregulierten Bereichen. Die technologische Führerschaft liegt zunehmend bei wenigen Großanbietern, während europäische Akteure sich durch Qualität, Domänenwissen und Vertrauenswürdigkeit differenzieren müssen.

Wenn Kunden KI-Funktionen wie Textgenerierung, Übersetzung oder Bilderkennung künftig als Commodity wahrnehmen, sinkt ihre Zahlungsbereitschaft. Dies betrifft auch europäische Unternehmen, die eigene SaaS-Lösungen mit KI anbieten. Wenn chinesische Lösungen dieselben Funktionen kostenlos oder deutlich günstiger anbieten droht Preiserosion und Margendruck.

Europäische Unternehmen sollten mit chinesischen KI-Anbietern kooperieren, um innovative Anwendungen schneller umzusetzen – besonders dann, wenn lokale Anpassung und große Datenmengen notwendig sind. Voraussetzung ist eine solide rechtliche und technische Due Diligence zur Sicherstellung von Datenschutz, IP-Schutz und Compliance mit EU- und chinesischem Recht.

Der Vorsprung chinesischer Anbieter bei Skalierung, Preis und Nutzerbasis von KI wächst. Wer als Zulieferer, Integrator oder Serviceanbieter bestehen will, muss klare technologische oder ethische Alleinstellungsmerkmale vorweisen – sei es in puncto Transparenz, Qualität, Fairness oder Nachhaltigkeit von KI. In der Konsequenz entsteht in globalen KI-Wertschöpfungsketten die strategische Notwendigkeit zur Neupositionierung.   

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