Das taiwanische Gericht für Geistiges Eigentum hat in einem aktuellen Urteil (2023 Xing Zhuan Su Zi No. 16) wichtige Maßstäbe zur Beweislast bei der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit sowie zur Zulässigkeit ergänzender Versuchsdaten gesetzt. Gegenstand des Verfahrens war das taiwanische Patent Nr. I682882, das eine biologisch abbaubare Zusammensetzung beschreibt. Die Patentinhaberin sah sich mit einer Nichtigkeitsklage konfrontiert, in der geltend gemacht wurde, dass das Patent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass sämtliche Merkmale der beanspruchten Erfindung entweder bereits aus dem Stand der Technik bekannt oder dem sogenannten allgemeinen Fachwissen zuzurechnen seien. Zwar bemühte sich die Klägerin, durch ergänzende Versuchsdaten nachzuweisen, dass ihre Erfindung unerwartete technische Effekte zeige, die für Fachleute nicht vorhersehbar gewesen seien, doch konnte sie das Gericht mit diesen Nachweisen nicht überzeugen.
Besonders deutlich stellte das Gericht heraus, dass die Berufung auf allgemeines Fachwissen im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens nicht pauschal erfolgen darf. Während Prüfungsstellen im Patenterteilungsverfahren mitunter auf solche Annahmen zurückgreifen, gelten in streitigen Verfahren strengere Anforderungen. Wer sich auf die Existenz allgemeinen Fachwissens beruft – sei es eine Behörde oder eine Partei im Nichtigkeitsverfahren – muss dies mit konkreten, objektiv überprüfbaren Belegen untermauern. Im konkreten Fall konnte das Amt für Geistiges Eigentum durch Fachliteratur und Patente nachvollziehbar darlegen, dass die technische Lösung der streitgegenständlichen Erfindung – insbesondere die Verwendung bestimmter Biokunststoffe – im einschlägigen Fachgebiet bereits bekannt war. Für eine durchschnittlich qualifizierte Fachperson war der Einsatz der beanspruchten Materialien daher ohne erfinderisches Zutun naheliegend.
Ein weiterer zentraler Aspekt des Urteils betrifft die Anforderungen an ergänzende Versuchsdaten. Solche Daten können grundsätzlich genutzt werden, um technische Effekte nachträglich zu belegen und die erfinderische Tätigkeit zu untermauern. Das Gericht stellte jedoch klar, dass diese Daten hohen Anforderungen genügen müssen: Sie müssen nachvollziehbar dokumentiert, methodisch sauber aufbereitet und im Idealfall von unabhängigen Dritten erstellt oder zumindest überprüfbar sein. Im vorliegenden Fall fehlten jedoch entscheidende Angaben zur Versuchsdurchführung – etwa zu den konkreten Prüfmethoden, den eingesetzten Materialien oder den Rahmenbedingungen der Messungen. Zudem lagen keine vollständigen Testberichte oder Gutachten unabhängiger Prüflabore vor. Die eingereichten Daten ließen damit keine belastbaren Rückschlüsse auf einen überraschenden technischen Effekt zu und genügten den gerichtlichen Anforderungen nicht.
Wer in Taiwan die erfinderische Tätigkeit eines Patents erfolgreich gegen eine Nichtigkeitsklage verteidigen will, sollte daher bei der Argumentation zum allgemeinen Fachwissen wie auch bei ergänzenden Versuchsdaten größte Sorgfalt walten lassen. Allgemeines Fachwissen muss stets durch konkrete und nachvollziehbare Quellen belegt werden – allein auf technische Plausibilität oder verbreitete Praxis zu verweisen, reicht nicht aus. Ergänzende Versuchsdaten wiederum sollten transparent dokumentiert, reproduzierbar und wissenschaftlich fundiert sein, idealerweise gestützt durch Berichte unabhängiger Prüfinstitutionen. Nur wenn diese Anforderungen erfüllt sind, kann das Gericht deren Beweiskraft in vollem Umfang anerkennen.
Quelle: Gericht für geistiges Eigentum und Handel der Republik China (Taiwan)
